
Nach 11 Jahren Arbeit als Hebamme in unterschiedlichen Krankenhäusern hat sich bei mir die Liebe zu einer umfassenden Betreuung herauskristallisiert:
Die werdenden Eltern in Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit medizinisch gut zu versorgen, zu Hause eine ruhige und stille Atmosphäre zu ermöglichen, um Intimität und Geborgenheit zuzulassen und dabei die bestmögliche Unterstützung zu bieten, ist mir wichtig.
1983-94 Arbeit als Hebamme in verschiedenen Krankenhäusern (München, Speyer, Starnberg, Peißenberg)
1986 Examen als Hebamme
1990 Ausbildung in klassischer Homöopathie bei Dr. F.P. Graf
1994 Eröffnung einer eigenen Hebammenpraxis in Murnau
1995 Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin
1997 Geburt der Tochter Zita
1999 Geburt des Sohnes Elias
2002 Abschluss in Akupunktur für Hebammen und Geburtshelferinnen
2005 Eröffnung der eigenen Hebammenpraxis in Oberammergau
Meinen Beruf liebe ich von Herzen. Seit nahezu 30 Jahren arbeite ich nun als Hebamme und Wehenmutter. Frauen von Beginn ihrer Schwangerschaft an zu unterstützen, den „Umstand“ als einen gesunden „Zustand“ zu begreifen, empfinde ich immer noch als wahres Geschenk. Dazu gehören alle Untersuchungen ab Beginn der Schwangerschaft, wie Schwangerschaftstest, Erstberatung und Ausstellung von Mutterpass und Bescheinigungen. Auch die Bestimmung von Größe und Lage des Kindes, das Hören der kindlichen Herztöne, Blutdruckmessung, sowie Blut- und Urinuntersuchungen gehören dazu. Die Geburt mit einer persönlich bekannten Hebamme, in Ruhe, Intimität und freundlicher Atmosphäre, ohne auf die kompetente medizinische Versorgung verzichten zu müssen, sehe ich als Grundprämisse meiner Arbeit an. Mütter, die geboren haben, im Wochenbett, in ihrer Intuition und ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, ihren eigenen Weg mit dem Kind zu finden, zählt zu den schönsten Aufgaben in meinem Leben. Die Begleitung und Weichenstellung für gesundes Wachsen und Gedeihen der Neugeborenen und Kleinkinder im ersten Lebensjahr, sind mir ein großes Anliegen.
Werde ich gefragt, sage ich immer noch, in meinem nächsten Leben werde ich wieder Hebamme!
Nachdenklich stimmt mich allerdings die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre. Oder war es schon immer so, und hat sich mein Blickwinkel mit fortgeschrittenem Alter geändert?
Beklemmend aktuell liest sich das Vorwort von Olga Gebauer, der Hebamme, die sich schon 1885 für die Anerkennung unseres Berufstandes stark machte, und 1886 die erste Hebammenzeitung im Eigenverlag herausgab.
Sie schreibt dort, vor 125 Jahren: „(…) was wir vor allem brauchen, das ist unsere Ehre, unsere Achtung und Würdigung (…). Wir wissen, dass wir uns einem schweren und opfervollen Beruf hingegeben haben. Es gibt einen zwar äußerlichen, aber deshalb umso deutlicheren Maßstab, der unsere Schätzung (…) ausspricht, wir meinen das Honorar, das man uns spendet oder für ausreichend erklärt. Wir wollen nicht Reichtümer sammeln, aber wir dürfen uns auch nicht mit elenden Bissen abspeisen lassen. Jede Leistung darf eine entsprechende Gegenleistung fordern.“
Damals wie heute reicht das Honorar nicht zum Leben. Selbst wenn die Hebammen sich im Alltag damit noch über Wasser halten können, steuern wir auf eine künftige Altersarmut zu: Ausreichende Rücklagen für Krankheit oder Ruhestand sind selten übrig, eine Familie zu ernähren ist nicht möglich.
Mit den Worten meines Mannes gesprochen: „Andere Frauen haben auch teure Hobbys".
So will ich dies nicht sehen. Wie verfährt unsere Gesellschaft mit dem Berufsstand, in dessen Händen die Begrüßung der nächsten Generation liegt?
„Der äußere Gewinn sei nötig, um den Lohn unserer Arbeit zu empfinden, um Kraft und Ausdauer sowie die rechte Lust und Liebe zum Berufe aufrecht zu erhalten“, drückte sich Gebauer feinsinnig aus.
Die freiberufliche Hebamme ist an Vergütungsvereinbarungen mit den Krankenkassen gebunden. Sie darf damit, anders als bei Dienstleistungen auf dem freien Markt üblich, den Preis für ihre Leistungen, nicht selbst kalkulieren und bewerten. Ein aussichtloses Tauziehen zwischen einem kleinen (weiblichen) Berufsstand auf der einen Seite und einem mächtigen (weitgehend männlichen), dem der Krankenkassenvertretern auf der anderen Seite, ist entstanden. Dieses machte die 2004 versprochene zweifache Erhöhung der Gebühren für Hebammenhilfe zunichte. Dazu kommt die seit 2010 exorbitante Erhöhung der Versicherungsprämien für die Hausgeburtshebammen.
Es schaut so aus, als ob sowohl der extreme Anstieg der Kosten als auch das niedriggehaltene Einkommen auf ein wohl politisch gewolltes, wenn auch verdecktes ‚Aushungern‘ der freiberuflichen Hebammengeburtshilfe hinausläuft.
Im Juli 2010 unterzeichneten fast 200.000 Menschen eine Petition des Deutschen Hebammenverbandes an den Bundestag, für wohnortnahe Grundversorgung von Schwangeren und Gebärende durch Hebammen. Der dringliche Appell verhallte ungehört, nachdem die Forderung völlig quer zu der gegenwärtigen Reform des Gesundheitswesens steht. Diese Reform stärkt die Macht von Versicherungen, Krankenkassen und Bürokratie. Von staatlicher Seite fühlt sich niemand zuständig für die gesundheitliche Versorgung durch kommunale Träger.
So sehe ich mit Sorge den Trend, dass sich die Hebammen aus der Überlebensnot heraus, vom Kerngeschäft, ihrem eigentlichen Handwerk, entfernen und auf andere Geschäftsfelder ausweichen. Sie tun dies als Händlerinnen von Babyprodukten, Kursleiterinnen oder Anbieterinnen alternativer Heilmethoden.
Hebammen müssen die selbständigen, fachlichen Expertinnen für die gesunden Geburten bleiben. Die fachliche Kernkompetenz in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett darf sich in unserem Berufsstand nicht zerstreuen. Schon gar nicht nur deswegen, weil sich Geburtshilfe sonst nicht mehr ‚rechnet‘.
Wenn wir Hebammen es uns nicht mehr leisten können, uns auf die originäre Hebammenarbeit zu konzentrieren, ist der Hebammenberuf in naher Zukunft verloren. Ich bin der Meinung, dass gerade die fortschreitende Medikalisierung der Mutterschaft, die letztlich häufig in dem Risikomanagement Geburt endet, mit drastisch steigenden Kaiserschnittraten und den negativen Langzeitfolgen, die eine operative Geburtshilfe für Mütter und Kinder mit sich bringt, unsere ganze gebündelte Energie dringend braucht.
Entwickeln wir unser Wissen ständig weiter, um die Geburt von heute gesund zu erhalten, Frauen zu einer gesunden Mutterschaft zu verhelfen und damit zu guter Letzt die Familien zu stärken!
Und ich denke, ich spreche für Europa – oder sogar für die ganze Welt?
Nartan Beate Feldmeier, Hebamme